Eine Kunst
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Von ferne stehn, wenn die anderen sich freun,
und doch zufrieden und frö
hlich sein,
selbst mühsam wandelnd auf dornigen Pfad,
dem Nächsten dienen mit selbstloser Tat,
im Schatten leben, der Sonne fern,
und doch den anderen leuchten als Stern-
das ist eine Kunst, die nur der versteht,
dem Himmelsluft durch die Seele weht!

Im tiefsten Tale des Leidens gehn
und doch noch um Glück für andere flehn,
voll Treue erfüllen die heiligsten Pflichten
und gern auf eigene Wünsche verzichten,
ein heimliches Kleinod im Herzen tragen,
aber, weil Gott es will, ihm entsagen-
das ist eine Kunst, die nur der versteht,
der täglich die Kraft sich von oben erfleht!

Selbst unverstanden durchs Leben gehn,
doch liebreich bestrebt sein, den Freund zu verstehn,
wenn bittre Gedanken im Herzen aufsteigen,
sich tapfer bemühen, sie keinem zu zeigen,
viel Ungerechtigkeit sehen auf Erden,
und doch am Glauben nicht irre werden-
die Kunst zu üben täglich aufs neue,
dazu gib, Herr, mir viel Kraft und viel Treue!

Luise Haisch-Rolf